Titelbild Pflanzenkrankheiten - Schädlinge

Pflanzenkrankheiten und Schädlinge

Kraut- und Knollenfäule (Phytophthora infestans)

Kraut- und Knollenfäule

Mildiou de la pomme de terre (franz.); late blight (engl.)

wissenschaftlicher Name: Phytophthora infestans (Mont.) de Bary

Taxonomie: Chromista, Peronosporomycetes (früher Oomycota oder Oomycetes), Peronosporea, Peronosporidae, Peronosporales, Peronosporaceae

Die Kraut- und Knollenfäule (Phytophthora infestans) ist weltweit die mit Abstand bedeutendste und auch bekannteste Krankheit der Kartoffel. Dieser Erreger war in den späten 40iger Jahren des 19. Jahrhunderts Ursache einer grossen Hungersnot in Irland und damit auch verantwortlich für den Tod von mehr als einer Million Iren. Ebenfalls als Folge des Zusammenbruchs des Kartoffelanbaus wanderten unzählige Iren nach Amerika aus. Auch andere Teile Europas waren von dieser neu auftretenden Kartoffelkrankheit stark betroffen. Feucht-warme Witterung begünstigt die Krankheit und kann zu Ertragsverlusten von 20 bis 40 % oder sogar zu einem Totalschaden führen (Radtke und Rieckmann 1990). Der Krankheitserreger infiziert alle Teile der Kartoffelpflanzen. Er zerstört die Blattfläche, befällt die Knollen und verursacht Lagerverluste. P. infestans steht somit im Mittelpunkt aller Fungizidmassnahmen im Kartoffelanbau.

Kraut- und Knollenfäule (Phytophthora infestans) Kartoffeln
Kraut- und Knollenfäule (Phytophthora infestans) KartoffelnAbb. 1. Krautfäule (Phytophthora infestans) an Kartoffeln: Links anfällige, rechts resistente Sorte (Bild oben), an der Blattunterseite bildet sich vor allem morgens am Übergang des abgestorbenen Gewebes zum noch gesunden Blatt ein weisser Pilzrasen (Sporangienträger und Sporangien) (Bild unten).

Krankheitsbild

Die Kraut- und Knollenfäule kann alle Teile der Kartoffelpflanze infizieren (Abb. 1 und 2). Das Aussehen einzelner Blattflecken variiert je nach Alter des Blattes und der Umweltbedingungen. Die ersten Symptome der Krankheit erscheinen als kleine, graubraune, wasserdurchtränkte Blattflecken mit einem hellgrünen Randbereich. Die Flecken werden rasch grösser und sind kreisförmig. Sie werden nicht durch die Blattadern begrenzt. Typische Blattflecken haben in der Mitte abgestorbenes braunes Gewebe und einen hellgrünen oder chlorotischen Randbereich. Bei feuchtem Wetter (in den frühen Morgen- und späten Abendstunden) bildet sich an der Blattunterseite am Übergang der Nekrose zum noch gesunden Blatt ein weisser Pilzrasen. Dieser besteht aus Sporangienträgern und Sporangien. Trockenes Wetter macht die Flecken spröde und brüchig.
Befallene Kartoffelstängel zeigen dunkelgrüne bis schwarze Flecken, vorwiegend an der Spitze oder an den Abzweigungen der Blattstiele. Bei sehr feuchter Witterung und mittlerer Lufttemperatur kann sich auch an den Stängeln ein weisser Pilzrasen bilden. Die Struktur des Stängels wird vom Erreger nicht zerstört, so dass nach einem vollständigen Zusammenbruch des Bestandes nur noch dürre Stängel sichtbar sind. Stark befallene Felder verbreiten einen muffigen Geruch.
Befallene Kartoffelknollen haben äusserlich eingesunkene, graubraune Flecken. Im Innern der Knolle zeigen sich diffuse braune Flecken, die sich nicht scharf vom gesunden Gewebe abgrenzen. Diese Krankheit wird auch als Braunfäule bezeichnet. Sie eröffnet zahlreichen anderen Parasiten den Weg in die Knolle.

Abb. 2. Krautfäule (Phytophthora infestans) an Kartoffelblättern und Stängeln

Krankheitserreger

Die vegetativen Zellen von P. infestans sind diploid (in einigen Fällen wurde allerdings auch schon ein höherer Ploidiegrad festgestellt). P. infestans ist heterothallisch mit zwei bekannten Paarungstypen A1 und A2. Seit den Siebzigerjahren kommen in Europa beide Typen vor. Kommen sie miteinander in Kontakt (sexuelle Fortpflanzung) resultiert daraus die Bildung von diploiden Dauersporen, den sogenannten Oosporen (Durchmesser 24-46 µm) (Stevenson et al. 2001). Oosporen sind dickwandig und können während längerer Zeit an abgestorbenem Pflanzenmaterial oder im Boden überleben.
Die asexuelle Fortpflanzung geschieht über die Bildung von Sporangien (Abb. 3 und 4). Diese sind zitronenförmig, 21-23 x 21-38 µm gross und haben mehrere Zellkerne (Stevenson et al. 2001). Sie werden an verästelten Sporangienträgern gebildet, die aus den Spaltöffnungen wachsen.
Die Sporangien keimen direkt oder entlassen je 3 bis 8 Zoosporen (bei Temperaturen unter 18 °C). Zoosporen haben einen Zellkern und sind seitlich begeisselt.

Phytophthora infestans an KartoffelnAbb. 3. Sporangienträger mit Sporangien von Phytophthora infestans wachsen aus den Spaltöffnungen.

Phytophthora infestans an KartoffelnAbb. 4. Sporangien von Phytophthora infestans

Lebenszyklus

Die Krautfäule überwintert hauptsächlich in befallenen Kartoffelknollen im Lager oder auf dem Feld. Bedingungen, welche ein Überleben der Knolle ermöglichen, genügen auch dem Erreger, um am Leben zu bleiben. Erste Infektionen (Primärherde) entstehen ab befallenen Stängeln von infiziertem Pflanzgut oder durch zugeflogene Sporangien. Letztere stammen von Nachbarfeldern (zum Beispiel Frühkartoffeln), von infizierten Knollen (Abfallhaufen und Kartoffelmieten) oder von Durchwuchskartoffeln. In seltenen Fällen erfolgt eine Primärinfektion durch bodenbürtige Dauersporen (Oosporen).
Gelangen die Sporangien auf ein tau- oder regennasses Kartoffelblatt, so keimen sie bei Temperaturen von 8-18 °C indirekt mit Zoosporen (Stevenson et al. 2001). Bei höheren Temperaturen von 18-24 °C erfolgt eine direkte Keimung der Sporangien mit einer Keimhyphe. Die Zoosporen können sich eine kurze Zeit in den Wassertropfen aktiv bewegen. Später werfen sie die Geisseln ab, entwickeln sich zu einer Zyste, keimen und bilden Haftorgane (Appressorien) (Kamoun and Smart 2005, Nowicki et al. 2012). Von hier aus dringt eine Penetrationshyphe durch die Kutikula in eine Epidermiszelle, wo der Parasit zuerst ein Infektionsvesikel bildet. Dann wachsen zwischen den Pflanzenzellen verzweigte Hyphen, die fingerförmige Haustorien in die benachbarten Zellen senden. Während dieser kurzen Phase im Lebenszyklus von P. infestans ernährt sich der Parasit von lebenden Zellen (biotroph). Später stirbt das infizierte Pflanzengewebe und der Parasit versorgt sich mit Nährstoffen aus den abgetöteten Pflanzenzellen (nekrotroph). Der Lebenszyklus von P. infestans ist typisch für einen hemibiotrophen Erreger.
Das Myzel erzeugt Sporangienträger, die aus den Spaltöffnungen heraustreten und Sporangien (asexuelle Sporen) bilden. Sporangien werden mit Regenspritzern oder Wind verbreitet. Sie entlassen bei kühlen, feuchten Witterungsbedingungen Zoosporen oder können direkt keimen (siehe oben).
P. infestans befällt auch Kartoffelknollen. Regen- und Bewässerungswasser können Sporangien von infizierten Pflanzen an die sich entwickelnden Knollen in den Boden schwemmen, so dass auch diese befallen werden. Je tiefer im Boden sich die Knolle befindet, desto geringer ist die Gefahr einer Infektion. Hohe Dämme verringern einen Befall der Knollen deutlich. Knolleninfektionen können auch während der Ernte oder im Lager (eher selten) stattfinden.
Seit der Einschleppung des Paarungstyps A2 über den Seeweg kann sich P. infestans in Europa auch geschlechtlich vermehren. Kommen die Paarungstypen A1 und A2 miteinander in Kontakt, resultiert dies in der Bildung von ausdauernden Oosporen. Durch diese Möglichkeit der sexuellen Fortpflanzung entsteht eine grössere genetische Variabilität innerhalb der P. infestans Population und der Parasit kann sich schneller und besser der Umwelt anpassen: Er kann Resistenzen der Kartoffel durchbrechen oder kann Resistenzen gegen Fungizide entwickeln.

Epidemiologie

Phytophthora infestans ist ein obligater Parasit, der für das Überleben zwischen zwei Anbauperioden auf infizierte Knollen angewiesen ist. Knolleninfektionen sind deshalb für das Vorkommen der Krankheit besonders wichtig. Eine Ausnahme bildet der sexuelle Zyklus, weil hier Oosporen gebildet werden, die während Monaten oder sogar Jahren (Stevenson et al. 2001) im Boden ohne Wirtspflanzen überleben können.
In den gemässigten Zonen Europas erscheinen die ersten Symptome der Krautfäule anfangs Juni. In Frühkartoffelfeldern (zum Beispiel unter Folien) kann dieser Parasit auch schon im Mai auftreten. Die Krankheit wird durch feucht-warme Witterung begünstigt. Unter extremen Bedingungen kann die gesamte Ernte vernichtet werden.
Eine feuchte und kühle Witterung ermöglicht es dem Krautfäuleerreger, in kurzer Zeit eine enorme Menge an Sporangien zu produzieren. Gelangen diese Sporangien auf anfälliges Pflanzenmaterial keimen sie bei Temperaturen von 18-24 °C direkt mit einem Keimschlauch, bei Temperaturen von 8-18 °C bilden sie Zoosporen. Die Infektion von anfälligem Pflanzengewebe geschieht oft schon innerhalb von 2 Stunden. Unter optimalen Bedingungen (18-22 °C) sind die ersten Krankheitssymptome bereits nach drei Tagen sichtbar. Ein oder zwei Tage später (bei 10-25 °C und 100 % relativer Luftfeuchtigkeit) bildet der Erreger neue Sporen (Stevenson et al. 2001).
Gelangen Sporangien mit dem Regenwasser von den Blättern oder Stängeln in den Boden, können sie die Knollen infizieren. Ein Anhäufeln der Kartoffelpflanzen kann einer Knolleninfektion vorbeugen.

Krautfäuleresistenz

Die Sortenwahl ist wichtig für einen erfolgreichen Anbau von Kartoffeln. Besonders gefragt sind Sorten mit einer verbesserten Resistenz gegen die Kraut- und Knollenfäule.
P. infestans kann eine Resistenz, die nur auf einem Gen beruht, in wenigen Jahren durchbrechen. Deshalb müssen gleichzeitig mehrere funktionierende Resistenzgene in einem Genotyp vereinigt werden (Pyramidisierung), um so die Chancen einer Resistenzbrechung zu minimieren und die Stabilität der Resistenz zu erhöhen.

Wirtsspektrum

Phytophthora infestans befällt Kartoffeln, Tomaten, Peperoni und zahlreiche andere Nachtschattengewächse (Solanaceae). Es existieren zahlreiche Pathotypen des Erregers.

Vorbeugende Massnahmen und Bekämpfung

  • Die Kraut- und Knollenfäule überwintert in infizierten Knollen im Lager, auf dem Feld oder in Abfallhaufen. In Gebieten, wo der Paarungstyp A2 vorkommt, kann P. infestans auch als Oospore überdauern. Infizierte Knollen sind für das Überleben des Pilzes von einer Saison zur nächsten ausserordentlich wichtig. Deshalb sollten infizierte Knollen möglichst aus dem Produktionssystem "Kartoffel" entfernt werden: Kartoffelabfälle sachgerecht entsorgen (zum Beispiel durch tiefes Vergraben), keine kranken Knollen pflanzen und Durchwuchskartoffeln (auch in anderen Kulturen) beseitigen.
  • Wenig anfällige, widerstandsfähige Sorten anbauen. Die Anfälligkeit der Kartoffelsorten für die Kraut- und Knollenfäule ist in der Schweizer Sortenliste für Kartoffeln, für Deutschland in der Sortenliste des Bundessortenamtes und in der Österreichischen beschreibenden Sortenliste angegeben. Das Kraut und die Knollen einer Sorte sind häufig nicht vergleichbar anfällig oder widerstandsfähig. Im Allgemeinen sind frühe Sorten anfälliger als später reifende Sorten.
  • Durch das Vorkeimen der Pflanzkartoffeln können infizierte Knollen erkannt und aussortiert werden. Die Ertragsbildung beginnt früher und das Verlustrisiko wird vermindert.
  • Ein Anhäufeln der Kartoffelpflanzen wirkt der Knollenfäule entgegen. Die oberflächlich liegenden Knollen werden immer zuerst befallen. Je höher die darüber liegende Schicht Erde ist, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Sporangien darin zurückgehalten werden.
  • Für ein gutes Durchlüften der Bestände sorgen, damit die Pflanzen rasch abtrocknen. Dazu gehören auch die Unkrautbekämpfung und eine angepasste Düngung,
  • Das befallene Kraut rechtzeitig vernichten und beseitigen: mechanisch, thermisch oder chemisch.
  • Knollen nur bei trockener Witterung und gut abgetrocknetem Boden ernten, um den Erdbesatz der Knollen zu vermindern. Die Ernte der Knollen sollte erst 3-4 Wochen nach der Krautvernichtung oder nach dem Absterben des Krautes erfolgen, wenn die Knollen schalenfest sind. Die Knollen bei guter Durchlüftung zwischenlagern und nach 3-4 Wochen sortieren (Häni et al. 2008). Mit Braunfäule befallene Knollen dürfen nicht ins Lager gelangen, da diese häufig sehr schnell sekundär von Nass- und Trockenfäulniserregern befallen werden. Diese vernichten innerhalb weniger Wochen das gesamte Lager.
  • Im biologischen Landbau dürfen aus der Liste der chemischen Pflanzenschutzmitteln nur Kupferpräparate verwendet werden (Betriebsmittelliste des FiBL). Die maximal erlaubte Menge an Kupfer beträgt pro Hektare und Jahr 4 kg (Bio Suisse), Demeterbetriebe dürfen kein Kupfer einsetzen. Warn- und Prognosesystemen, wie zum Beispiel PhytoPRE, ermöglichen einen gezielten Einsatz dieser Mittel.
  • Kupfer reichert sich im Boden an und wird zu einem erheblichen Risiko für Bodenorganismen. Deshalb wird intensiv nach Alternativen gesucht. Das Pflanzenstärkungsmittel Kaliumphosphonat, Pflanzenextrakte (zum Beispiel gemahlene Faulbaumrinde) oder aus Pilzen (Schnecklinge) isolierte Substanzen zeigten eine gute Wirkung gegen die Krautfäule (Eschen-Lippold et al. 2009, Krebs et al. 2013).
  • Direkte Bekämpfung: Das Angebot an Fungiziden ist gross (siehe unten). Die Wahl und die Anwendungshäufigkeit richten sich nach der Anfälligkeit der Sorte, der Witterung und dem Epidemieverlauf. Der rechtzeitige Spritzstart ist ausschlaggebend für eine erfolgreiche Kontrolle der Krautfäule. Die erste Behandlung muss noch vor dem ersten Auftreten eines Befalls erfolgen, um das massenhafte Auftreten von Sporen im Bestand zu verhindern. Auch hier ermöglichen Warn- und Prognosesysteme (z.B. PhytoPRE) einen gezielten Einsatz von Pflanzenbehandlungsmitteln (Fungizide oder alternative Mittel). Populationen von P. infestans (vor allem bei Anwesenheit des Paarungstyps A2) können Resistenzen gegen die Wirkstoffe der Pflanzenschutzmitteln entwickeln.
  • Empfohlene und zugelassene Pflanzenschutzmittel gegen die Kraut- und Knollenfäule finden sie für die Schweiz im BLW Pflanzenschutzmittelverzeichnis (Bundesamt für Landwirtschaft); für Deutschland in der online Datenbank des BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) und für Österreich im Pflanzenschutzmittelregister des BAES (Bundesamt für Ernährungssicherheit).

Literatur

Eschen-Lippold L, Draeger T, Teichert A, Wessjohann L, Westermann B, Rosahl S, Arnold N, 2009. Antioomycete Activity of γ-Oxocrotonate Fatty Acids against P. infestans. J. Agric. Food Chem., 57 (20): 9607–9612.

Häni FJ, Popow G, Reinhard H, Schwarz A und Voegeli U, 2008. Pflanzenschutz im nachhaltigen Ackerbau. Edition LMZ, 7. Auflage. 466 S.

Kamoun S, Smart CD, 2005. Late blight of potato and tomato in the genomics era. Plant disease 89: 692-699.

Krebs H, Musa T, Vogelgsang S, Forrer HR, 2013. Kupferfreie Bekämpfung der Kraut- und Knollenfäule im Bio-Kartoffelbau. Agrarforschung Schweiz 5 (5): 238-243.

Nowicki M, Foolad MR, Nowakowska M, Kozik EU, 2012. Potato and Tomato Late Blight caused by Phytophthora infestans: An overview of Pathology and Resistance Breeding. Plant Disease Vol. 96: 4-17.

Radtke W, Rieckmann W, 1990. Krankheiten und Schädlinge der Kartoffel. Verlag Th. Mann, Gelsenkirchen-Buer, 167 S.

Stevenson WR, Loria R, Franc GD, Weingartner DP, 2001. Compendium of Potato Diseases, second edition. The American Phytopathological Society, St. Paul: 106 S.

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