Venturia inaequalis (Apfelschorf)

Apfelschorf

tavelure du pommier (franz.); apple scab (engl.)

wissenschaftlicher Name: Venturia inaequalis (Cooke) G. Winter (Hauptfruchtform, Teleomorph); Fusicladium pomi (Fr.) oder Spilocea pomi (Fr.) (Nebenfruchtform, Anamorph)

Taxonomie: Fungi, Ascomycota, Dothideomycetes, Pleosporomycetidae, Venturiales, Venturiaceae

Apfelschorf (Venturia inaequalis) ist die wirtschaftlich wichtigste Pilzkrankheit des Apfels. Der Pilz befällt junge Blätter und Früchte, selten auch die Triebe. Äpfel mit Schorfflecken sind oft nicht marktgerecht. Der Erreger des Apfelschorfs überwintert als Fruchtkörper (Pseudothecium) in abgefallenen Blättern auf dem Boden. Im Frühling werden aus diesen Fruchtkörpern die Ascosporen geschleudert, welche die Primärinfektion verursachen. Der Pilz wächst zwischen Kutikula und Epidermiszelle und produziert bereits nach wenigen Tagen eine grosse Zahl von Konidien. Diese werden mit Wind und Regen auf benachbarte junge Blätter oder Früchte verfrachtet, wo sie Sekundärinfektionen verursachen. Apfelsorten sind unterschiedlich anfällig für Schorf. Bei Neupflanzungen sollten deshalb tolerante oder resistente Sorten berücksichtigt werden. Eine Beseitigung oder die Förderung der Verrottung des Falllaubs vermindert die Anzahl Ascosporen, die im folgenden Frühjahr Primärinfektionen auslösen. In der Schweiz und der EU sind verschiedene Fungizide für die Behandlung des Apfelschorfs zugelassen.

Apfelschorf (Venturia inaequalis)Abb. 1 Beginn einer Schorfinfektion (Venturia inaequalis) an einem Apfelblatt

Abb. 2 Apfelschorf (Venturia inaequalis) an Blättern und Früchten

Krankheitsbild

Der Apfelschorf befällt Blätter und Früchte, selten auch die jungen Triebe („Zweiggrind“). Bereits kurz nach dem Austrieb erscheinen an den Blättern samtartige, oliv-grüne, später braune Flecken mit einem unscharfen, strahligen Rand (Abb. 1 und 2). Die Blattflecken können zusammenwachsen. Stark befallene Blätter sind deformiert, verkümmert und fallen vorzeitig ab. Werden Blatt- oder Blütenstiele befallen, führt dies zu einem frühzeitigen Abfallen der Blätter, beziehungsweise der Früchte.
Mit Schorf befallene Früchte zeigen braunschwarze Flecken, die oft von einem silbrig-weissen Rand (Reste der abgelösten Kutikula) umgeben sind. Die Flecken weisen sternförmige, verkorkte Risse auf, da das geschädigte Gewebe nicht mehr mit der Frucht mitwachsen kann. Bei starkem Befall sind die Früchte deformiert. Schorfflecken sind oft Eintrittspforten für Fäulniserreger.
Nach einem sehr späten Befall können Schorfflecken auch erst im Lager auftreten (Lagerschorf).

Abb. 3 Apfelschorf (Venturia inaequalis): Konidienträger mit Konidien, Pseudothecien (Hauptfruchtform) mit Asci und Ascosporen, Öffnung mit Borsten

Krankheitserreger

Venturia inaequalis ist bipolar heterothallisch: Das heisst, es existieren zwei Paarungstypen (+ und -). Nur unterschiedliche Paarungstypen können miteinander kopulieren, was zur Bildung der Hauptfruchtform (Pseudothecien) mit den Asci und Ascosporen in abgestorbenen Blättern und Früchten führt (Abb. 3).
Die Pseudothecien stehen alleine, sind dunkelbraun bis schwarz, kugelförmig (Durchmesser 90-150 µm) mit einem kurzen Fortsatz und haben eine deutliche Mündung/Öffnung mit Borsten (Sutton et al. 2014) (Abb. 3). Ein Pseudothecium enthält etwa 50 bis 100 Asci (6-12 x 55-75 µm). Diese wachsen in Büscheln, sind zylindrisch und enthalten je acht Acosporen. Die Wand der Asci ist dünn und zweischichtig (bitunicat), eine äussere nicht elastische Schicht, die beim Ausschleudern der Ascosporen am Scheitel aufreisst und eine innere, elastische, die sich stark dehnen kann. Die Ascosporen (5-7 x 11-15 µm) sind zweizellig, wobei die obere Zelle kürzer und breiter ist als die untere. Diese unterschiedliche Grösse der beiden Zellen der Ascosporen gab der Art den Namen (V. inaequalis).
Das Myzel ist septiert und bildet braune, wellige Konidienträger mit keinem oder höchstens einem Septum. Die Konidienträger schnüren an ihren Enden mehrere Konidien einzeln nacheinander ab, ersichtlich an den Abschnürungsfalten der Träger. Die Konidien (6-9 x 12-22 µm) sind ein- oder zweizellig und birnenförmig, oft sind sie auch unregelmässig geformt. Konidien werden auf den Blättern, Blüten, Früchten, Trieben (selten) und Knospenschuppen gebildet.

Lebenszyklus

Der Erreger des Apfelschorfs überwintert in abgefallenen Apfelblättern, je nach Region auch als Myzel oder als Konidie an Trieben oder in Knospenschuppen. Die Überwinterung als Pseudothecium (Hauptfruchtform) in abgefallenen Blättern hat aber mit Abstand die grösste Bedeutung.
Nach dem Laubfall durchwuchert der Pilz das Gewebe der Blätter (saprophytische Lebensphase). Aus einzelnen Hyphenzellen bilden sich im Frühjahr Fruchtkörper (Pseudothecien) mit Asci und Ascosporen.
Ab Vegetationsbeginn (April bis Ende Mai) werden unter günstigen Bedingungen – Regen oder starker Tau - die Ascosporen aus den Asci herausgeschleudert und mit dem Wind oder durch Regen auf junge Blätter übertragen.
Dort keimen die Ascosporen und bilden Appressorien. Eine Penetrationshyphe dringt dann durch die Kutikula (Wachsschicht) in das Blatt. Anschliessend wachsen Laufhyphen zwischen Epidermis und Kutikula (parasitische Lebensphase). In regelmässigen Abständen werden hier Hyphengeflechte (Stromata) gebildet aus denen sich Konidienträger entwickeln, welche die Kutikula durchbrechen und auf der Blattoberfläche Konidien bilden. Der Erreger des Apfelschorfes dringt nicht in die Epidermiszellen oder in andere Zellen der Wirtspflanze ein. Die Ernährungsweise ist noch weitgehend unbekannt.
Für die Primärinfektion der Blätter ist je nach Temperatur eine mehr oder weniger lang anhaltende Blattnässeperiode nötig. Die ersten Symptome erscheinen 9 bis 17 Tage nach der Infektion.
Die neu gebildeten Konidien werden mit Wind und Regen verbreitet und infizieren benachbarte junge Blätter und Früchte (Sekundärinfektionen). Während der Vegetationsperiode können mehrere Infektionszyklen vorkommen und eine Epidemie auslösen.
Durch die Schorfinfektionen wird die Kutikula zerstört. Dies führt zu Wasserverlust und das Blatt fällt vorzeitig ab. Nach dem Blattfall beginnt im Herbst/Winter erneut die saprophytische Phase des Schorfpilzes.

Epidemiologie

Für die Bildung der Pseudothecien während der Überwinterung ist Feuchtigkeit nötig. Längere trockene Perioden verzögern deren Entwicklung. Die optimalen Temperaturen für die Entstehung der Asci betragen 8-12 °C, beziehungsweise für die Reifung der Ascosporen 16-18 °C.
Ascosporen werden nur bei Regen oder starkem Tau aus den Asci geschleudert. Temperaturen unter 10 °C verzögern die Freilassung der Ascosporen.
Ascosporen und Konidien brauchen für die Keimung einen Wasserfilm auf den Blättern. Ist die Keimung initiiert, genügt eine relative Luftfeuchtigkeit von > 95 %.
Je nach Temperatur ist für die Infektion eine mehr oder weniger lang anhaltende Blattnässe nötig: Die Dauer hängt auch vom Alter der Blätter oder der Früchte ab: Je älter die Frucht desto länger muss die Nässeperiode dauern. Eine Infektion ist innerhalb eines Temperaturbereichs von 1 bis 26 °C möglich.
Der Erreger des Apfelschorfs befällt junge Blätter oder Früchte. In älteren Blättern oder Früchten nimmt die Bildung von Stromata und Konidien zunehmend ab (Gessler und Stumm 1984).

Schorf-Prognosemodelle

Verschiedene Prognosemodelle versuchen mit Hilfe von meteorologischen Daten den Zeitpunkt von Primär- und Sekundärinfektionen vorauszusagen (Mills Tabelle, SIMSCAB, RIMpro, WELTE).
Mills Tabelle und modifizierte Versionen: Die Schorfinfektionstabelle nach Mills zeigt die Beziehungen zwischen Temperatur und Dauer der Blattnässe für eine erfolgreiche Schorfinfektion. Die Dauer der Blattfeuchte und die Temperatur werden mit einem Schorfwarngerät ermittelt. Kombiniert mit einer Sporenfalle kann bestimmt werden, wann eine Infektion stattfinden kann.
Das Prognosemodell SIMSCAB simuliert mit Wetterdaten ab dem 1. Januar die Reifung der Pseudothecien sowie die Freilassung von Ascosporen und identifiziert Tage während der Vegetationszeit an denen Infektionen vorkommen können. Schweiz: siehe auch www.agrometeo.ch.
RIMpro erfasst Wetterdaten und ermittelt daraus die aktuelle Infektionsgefahr. Zudem wird mit Schorffallen der effektive Ascosporenflug erfasst. Aus den Angaben werden Empfehlungen zur Schorfregulierung erstellt. Das RIMpro Modell kann über die Internetseite www.bioaktuell.ch abgerufen werden. Es vermittelt die aktuelle und zukünftige Infektionsgefahr für die Schweiz.

Resistenzzüchtung

Nach Bowen et al. (2011) sind 17 Resistenzgene bekannt (Rvi1 bis Rvi17), die gegen Apfelschorf wirken. Damit ein Resistenzgen wirkt, muss im Erreger das entsprechende Avirulenzgen (AvrRvi1 bis AvrRvi17) vorhanden sein. Das in der Apfelzüchtung bisher am häufigsten verwendete Resistenzgen Rvi6 (früher Vf) stammt vom Zierapfel (Malus floribunda). Leider wurde diese Resistenz in mehreren europäischen Ländern von neuen Stämmen des Apfelschorfs bereits durchbrochen.
Die 17 bekannten Resistenzgene können basierend auf der Resistenzreaktion in drei unterschiedliche Klassen eingeteilt werden:
Hypersensitive Reaktion: Unmittelbar nachdem der Erreger die Kutikula durchstossen hat, sterben in der Umgebung der Eindringungsstelle die Epidermis- und Mesophyllzellen ab. Der Pilz kann nicht mehr weiterwachsen und es werden kleine Nekrosen (Nadelstiche) sichtbar. Rvi4, Rvi5 und Rvi15 verursachen diese Reaktion.
Apfelbäume mit den R-Genen Rvi2 und Rvi8 bilden als Resistenzreaktion Sternnekrosen, die das subkutikuläre Wachstum des Myzels begrenzen.
Die Resistenzgene Rvi6 und Rvi12 verursachen Chlorosen, welche die Bildung von Konidien einschränken. Diese beiden Gene verleihen der Pflanze nur eine partielle Resistenz.

Wirtsspektrum

Venturia inaequalis befällt den Apfelbaum (Malus x domestica Borkh.) und andere Malus Arten.

Vorbeugende Massnahmen und Bekämpfung

Literatur

Bowen JK, Mesarich CH, Bus VGM, Beresford RM, Plummer KM, Templeton MD, 2011. Venturia inaequalis: the causal agent of apple scab. Molecular Plant Pathology 12 (2): 105-122.

Gessler C, Stumm D, 1984. Infection and stroma formation by Venturia inaequalis on apple leaves with different degrees of susceptibility to scab. J. Phytopathol. 110, 119–126.

Kühne S, Burth U, Marx P, 2006. Biologischer Pflanzenschutz im Freiland. Eugen Ulmer KG, 288 S.

Müller E, Loeffler W, 1971. Mykologie, Grundriß für Naturwissenschaftler und Mediziner. Georg-Thieme-Verlag, Stuttgart, 340 S.

Sutton TB, Aldwinckle HS, Agnello AM and Walgenbach JF, 2014. Compendium of Apple and Pear Diseases and Pests. Second edition, St. Paul, Minn. The American Phytopathological Society, 218 p.