Echter Mehltau der Rebe (Uncinula necator)

Echter Mehltau der Rebe

Oïdium (franz.); powdery mildew (engl.)

wissenschaftliche Namen:
Hauptfruchtform (Teleomorphe): Erysiphe necator Schw.
Nebenfruchtform (Anamorphe): Uncinula necator (Schw.) Burr. (Synonym: Oïdium tuckeri Berk.)

Taxonomie: Fungi, Ascomycota, Leotiomycetes, Leotiomycetidae, Erysiphales, Erysiphaceae

Der Echte Mehltau der Rebe (Erysiphe necator) ist weltweit die am häufigsten auftretende Krankheit an Weinreben. Er befällt alle grünen Teile der Rebe: die Blätter, die Triebe und die Beeren. Das auffälligste Merkmal des Echten Mehltaus ist das Vorhandensein eines mehlig-weissen Pilzbelags auf den befallenen Pflanzen. Der Parasit überwintert je nach Region als Myzel in den Knospen oder in Form von Cleistothezien. Letztere sind Fruchtkörper des Pilzes, die sexuell gebildete Ascosporen enthalten. Die Bekämpfung von Blatt- und Knospeninfektionen während der ganzen Vegetationsperiode ist das beste Mittel, um eine Infektion im Folgejahr zu minimieren. Dadurch kann eine frühe Erstansteckung auf den Blättern verhindert und der Infektionsdruck auf die sich entwickelnden jungen Beeren tief gehalten werden. Schwefel ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Fungizid gegen Echten Mehltau.

Geschichte

Der Verursacher des Echten Mehltaus an der Weinrebe, wurde erstmals 1834 von Schweinitz im östlichen Nordamerika, der Region in der er heimisch ist, entdeckt und als Erysiphe necator beschrieben. Diese taxonomische Zuordnung wurde kürzlich wieder übernommen, obwohl der Name Uncinula necator (Schw) Burr. in der veröffentlichen Literatur häufiger vorkommt.
Der Pilz war damals in Nordamerika ein unbedeutender Krankheitserreger an einheimischen Vitis-Arten. Im Jahre 1845 wurde E. necator erstmals in einem Gewächshaus in England von William Tucker beobachtet. In nur 5 Jahren breitete sich der Erreger in ganz Europa aus und verursachte schwindelerregende Verluste, die oft bis zu 100 % erreichten. Die Entdeckung, dass Schwefel zur Bekämpfung der Krankheit eingesetzt werden kann und die Entwicklung von Methoden zur grossflächigen Anwendung brachten die Krankheit in Frankreich und weiten Teilen Europas bis 1858 unter Kontrolle.

Echter Mehltau der Rebe (Uncinula necator)Abb. 1. Echter Mehltau (Erysiphe necator) an Blättern der Weinrebe

Abb. 2. Das auffälligste Merkmal des Echten Mehltaus (E. necator) ist ist ein weisser Belag an den Blättern und den Beeren (Bilder 1 bis 3). Ältere Mehltaukolonien bilden Cleistothecien mit Asci (Hauptfruchtform) (Bilder 4 und 5). Bild 6 zeigt eingetrocknete Beeren nach einem Mehltaubefall.

Krankheitssymptome

Der Echte Mehltau (Erysiphe necator) wächst, mit Ausnahme der Haustorien, vollständig ausserhalb des Wirtsgewebes. Er befällt alle grünen Teile der Rebe: die Blätter, die Triebe und die Beeren. Das auffälligste Merkmal des Echten Mehltaus ist das Vorhandensein eines mehlig-weissen Pilzbelages bestehend aus Myzel und Konidien des Erregers.
Symptome an jungen Trieben (Zeigertriebe): Ende Mai bis Anfang Juni entwickelt sich der Echte Mehltau an jungen Trieben, die aus den im Vorjahr infizierten Knospen stammen. Das Wachstum dieser Triebe ist verlangsamt und sie sind im Allgemeinen weniger kräftig als diejenigen, die aus gesunden Knospen entstehen. Die Blätter sind klein sowie deformiert und ganz oder teilweise mit einem mehlig-weissen Pilzbelag bedeckt. Diese Triebe werden als Zeigertriebe (französisch drapeau; Englisch flag shoot) bezeichnet und erscheinen schon früh in der Vegetationsperiode.
Symptome an den Blättern: Die ersten Symptome der Krankheit sind in der Regel schwer zu erkennen. Wenn Ascosporen die Haupt- oder einzige Quelle des primären Inokulums sind, ist ein Pilzbewuchs an der Blattunterseite das vorherrschende Symptom. An der Blattoberseite führt dies oft zu chlorotischen Flecken, die mit dem Symptom "Ölfleck" des Falschen Mehltaus verwechselt werden können. Später befällt der Echte Mehltau auch die Blattoberseite und die Blätter nehmen allmählich ein staubiges, gräulich-weisses Aussehen an.
Die Mehltaukolonien sind kreisförmig, treten einzeln oder in Gruppen auf und haben einen Durchmesser von einem Zentimeter oder mehr. Ältere Kolonien verfärben sich schliesslich gräulich und können ab der Mitte bis zum Ende der Saison eine grosse Anzahl gelber (unreifer) oder schwarzer (reifer) Cleistothecien tragen, die sexuellen Fruchtkörper des Mehltaupilzes.
Ein Mehltaubefall kann auch Blattnekrosen hervorrufen: Als Reaktion auf extreme Temperaturen, ultraviolette Strahlung, Fungizidanwendungen oder Alterung kann das Myzel des Echten Mehltaus absterben, was auch zum Tod vieler Epidermiszellen führt, die Haustorien beherbergen. Stark befallene Blätter welken meist, entwickeln nekrotische Flecken und fallen vorzeitig ab.
Symptome an den Trieben: Die Infektion der grünen Triebe führt zunächst zu ähnlichen Symptomen wie auf den Blättern, wobei sich die befallenen Bereiche schwarz färben, wenn die Krankheit fortschreitet und die Epidermiszellen abgetötet werden. Mit der zunehmenden Verholzung der Triebe sterben die Mehltaukolonien ab, was zu einer dunklen, netzartigen Vernarbung der betroffenen Stellen führt.
Symptome an den Beeren: Junge Beeren sind besonders empfindlich gegen den Echten Mehltau. Vom Fruchtansatz bis zum Traubenschluss zeigt sich ein grau-weisser Pilzbelag auf einzelnen oder mehreren Beeren oder der ganzen Traube, wobei die Organe grün bleiben. Die Epidermis von infizierten Beeren hört auf zu wachsen, was oft zum Aufreissen der Haut führt, so dass die Kerne sichtbar werden (Samenbruch). Die Beere trocknet schliesslich aus und mumifiziert. Beeren werden mit zunehmendem Alter sehr widerstandsfähig gegen neue Infektionen.

Abb. 3. Erysiphe necator: Konidienträger mit in Ketten angeordneten Konidien (Bilder 1 und 2), Cleistothecien (Hauptfruchtform) mit Verankerungshyphen (Bilder 3 bis 5) und Cleistothecium mit Ascus (Bild 6)

Der Krankheitserreger

Der Echte Rebenmehltau ist ein obligat parasitischer Pilz und wirtsspezifisch, das heisst er kann sich nur auf lebendem, funktionsfähigem Wirtsgewebe (im Falle des Echten Rebenmehltaus nur auf Arten der Familie Vitaceae) ernähren und vermehren.
Die farblosen Hyphen (4 bis 5 µm dick) wachsen oberflächlich auf der Kutikula, nur die Ernährungsorgane des Pilzes (Haustorien) befinden sich in der Pflanze, genau genommen in den Epidermiszellen. Die septierten Konidienträger sind 10 bis 400 µm lang und bilden sich in grosser Zahl senkrecht zu den Hyphen in schnell wachsenden Kolonien. Die Konidien sind farblos, zylindrisch bis eiförmig und enthalten eine bis zwei grosse wasserhaltige Vakuolen. Sie messen 27-47 x 14-21 µm (Wilcox et al., 2015). Einzelne Konidienträger produzieren in der Regel nur ein Konidium pro Tag. Lange Konidienketten sind unter Freilandbedingungen selten zu sehen, da die Konidien durch Wind leicht abgetragen und verstreut werden. Die Konidien keimen mit einem einzelnen Keimschlauch, der in einem gelappten Appressorium endet.
Die Mehltau-Populationen sind bipolar-heterothallisch, d. h. die Hyphen gehören zwei unterschiedlichen Paarungstypen an. Nach Kontakt zwischen zwei Hyphen von kompatiblen Paarungstypen bilden sich Cleistothecien, die sexuellen Fruchtkörper des Mehltaupilzes. In der neueren Literatur wurde der Begriff Cleistothecium durch Chasmothecium ersetzt.
Cleistothecien sind kugelige Gebilde mit Verankerungshyphen, die sich mit den Hyphen der darunterliegenden Mehltaukolonie verflechten. Die Fruchtkörper verfärben sich zuerst gelb und werden später dunkelbraun. Die Verankerungshyphen sterben nach 4 bis 5 Wochen ab und das Cleistothecium trennt sich von der Mehltaukolonie.
Cleistothecien enthalten bei der Reife vier bis sechs Asci, von denen jeder Ascus gewöhnlich vier bis zu sieben transparente, eiförmige bis fast kugelige Ascosporen mit einer Grösse von 15-25 µm x 10-14 µm enthält (Wilcox et al. 2015). Reife Cleistothecien platzen bei Kontakt mit freiem Wasser auf. Da die Asci jetzt nicht mehr eingeengt sind, dehnen sie sich stark aus und entlassen die Ascosporen durch einen schlitzartigen Riss an der Ascusspitze. Wie die Konidien keimen auch die Ascosporen mit einem einzigen Keimschlauch, der in einem gelappten Appressorium endet.

Lebenszyklus

Der Echte Rebenmehltau überwintert je nach Region (oder Rebsorte) als Myzel oder in Form von Cleistothezien. Häufig kommen beide Formen gleichzeitig vor:

Konidien und Ascosporen keimen bei hoher Luftfeuchtigkeit und bei Temperaturen über 10 °C. Taubildung fördert die Sporenkeimung, wobei langanhaltende Blattnässe die Keimung hemmt. Anschliessend werden Haftorgane (Appressorien) auf der Kutikula der Blätter gebildet. Unmittelbar unter dem Appressorium dringt eine Infektionshyphe mit Hilfe von Enzymen durch die Kutikula und anschliessend durch die Epidermiszellwand ins Innere der Epidermiszelle. Hier bildet der Pilz Haustorien (Saughyphen), welche ihm zur Nahrungsaufnahme dienen. Der Pilz wächst als eng verzweigtes Myzel auf der Blattoberfläche weiter und bildet weitere Appressorien sowie Haustorien.
Der Echte Mehltau infiziert zunächst die sich neu entfaltenden Blätter und Triebe, später auch alle anderen grünen Gewebe der Rebe. Sowohl die Blattober- wie auch die Blattunterseite können infiziert und zur Sporenbildung genutzt werden.
Knospen, aus denen im Folgejahr die Zeigertriebe austreiben, werden bereits im 3- bis 6-Blatt-Stadium infiziert.
Gegen Ende der Blüte bis zum Verfärben oder Weichwerden der Beeren kommen oft optimale Temperaturen für die Mehltauentwicklung vor. Die Krankheit nimmt dann rasch zu. In dieser Phase bemerkt der Beobachter meist zum ersten Mal einen Ausbruch der Krankheit.

Epidemiologie

Die Temperatur ist der wichtigste Umweltfaktor, der das Wachstum und die Ausbreitung des Echten Mehltaus reguliert. Mehltaukolonien wachsen und sporulieren am schnellsten bei 23 bis 30 °C (Wilcox et al., 2015) und die Latenzzeit (Zeit ab Beginn der Infektion bis zur Bildung neuer Konidien) dauert nur gerade 5 bis 6 Tage, falls die Temperaturen konstant im optimalen Bereich liegen. Unter kühleren Bedingungen ist der Erreger jedoch deutlich weniger robust und die Latenzzeit erhöht sich deutlich.
Ab 35 °C wird die Keimung der Konidien gehemmt oder die Konidien werden sogar abgetötet. In ähnlicher Weise können auch die Hyphen innerhalb von Mehltaukolonien durch hohe Temperaturen beschädigt werden. Dieser Schaden ist jedoch meist unvollständig, besonders im schattigen Bereich des Kronendachs können überlebende Teile der Mehltaukolonien ihre Aktivität wieder aufnehmen, sobald die Temperaturen wieder günstig werden.
Andere Umweltfaktoren, wie die Luftfeuchtigkeit und die Sonneneinstrahlung, beeinflussen die Krankheitsentwicklung ebenfalls.
Ultraviolettes (UV) Licht ist schädlich für den Echten Mehltau, der sich hauptsächlich an der Oberfläche von infiziertem Gewebe aufhält und keine schützende Pigmentierung besitzt. Die UV-Strahlung reduziert die Konidienkeimung, die Appressorienbildung und die Ausbreitung der Mehltaukolonie.
Darüber hinaus sind die Oberflächentemperaturen des Rebengewebes im direkten Sonnenlicht oft wesentlich höher als im Schatten. Die Krankheitsschwere der beschatteten Pflanzengeweben ist deshalb oft um ein Vielfaches grösser als auf solchen, die eine gute Sonnenlichtexposition aufweisen.
Freies Wasser ist schädlich für das Myzel und die Konidien von E. necator.
Junge Blätter sind am anfälligsten für Infektionen. Die Anfälligkeit verringert sich deutlich, wenn sie voll ausgewachsen sind und zu altern beginnen. Allerdings werden Blätter nie immun gegen Infektionen und ältere Blätter können erhebliche Mengen an Mehltau tragen.
Die Beeren von V. vinifera-Sorten sind in den ersten 1-2 Wochen nach dem Fruchtansatz sehr anfällig für Infektionen. Eine Infektion während dieser Zeit kann zur vollständigen Zerstörung der Früchte führen.

Wirtsspektrum

Wirtspflanzen finden sich in verschiedenen Gattungen innerhalb der Familie Vitaceae, einschliesslich Vitis, Cissus, Parthenocissus und Ampelopsis.
Alle Sorten von Vitis vinifera (europäische Weinrebe: diese Pflanzenart hat sich in Abwesenheit des Erregers entwickelt) sind anfällig für Echten Mehltau. Einige Sorten von nordamerikanischen Vitis Arten und von interspezifische Hybriden (Kreuzungen zwischen V. vinifera und amerikanischen Vitis Arten) weisen eine deutlich höhere Resistenz auf. Die Nachfrage nach ihnen ist ausserhalb einiger weniger spezifischer Regionen und Märkte aber begrenzt.

Vorbeugende Massnahmen und Bekämpfung

Eine exakte Beobachtung und Bekämpfung von Blatt- und Knospeninfektionen während der ganzen Vegetationsperiode ist das beste Mittel, um das primäre Inokulum im Folgejahr zu minimieren. Dadurch kann eine frühe Erstansteckung auf den Blättern verhindert und der Infektionsdruck auf die sich entwickelnden jungen Beeren tief gehalten werden.

Literatur

Häseli A, Tamm L, Wyss E, 1999. Krankheits- und Schädlingsregulierung im biologischen Rebbau. FiBL (Hrsg.) Merkblatt, Bestellnummer 1217 (download pdf).

Viret O, Gindro K, 2014. La vigne: Maladies fongiques (Vol. 1). AMTRA, route de Duillier 50, 1260 Nyon: 254p.

Wilcox WF, Gubler WD, Uyemoto JK, 2015. Compendium of Grape Diseases, Disorders and Pests. Second edition. The American Phytopathological Society, St. Paul Minnesota: 232p.