Titelbild Pflanzenkrankheiten - Schädlinge

Pflanzenkrankheiten und Schädlinge

Rhynchosporium-Blattfleckenkrankheit an Gerste (Rhynchosporium secalis)

Rhynchosporium-Blattfleckenkrankheit

wird auch Rhynchosporiose oder Spitzfleckigkeit genannt
Rhynchosporiose (franz.), scald or leaf blotch of barley and rye (engl.)

Wissenschaftlicher Name: Rhynchosporium secalis (Oudem.) Davis
Synonyme: Marssonia secalis Oudem., Rhynchosporium graminicola Heinsen, Septocylindrium secalis Oudem.

Taxonomie: Fungi, Ascomycota, Leotiomycetes, Leotiomycetidae, Helotiales, Ploettnerulaceae

Rhynchosporium secalis ist einer der weltweit wichtigsten Krankheitserreger der Gerste (Hordeum vulgare) und kommt vor allem in Regionen mit längeren, feucht-kühlen Witterungsperioden vor. Neben Gerste befällt R. secalis auch Roggen, Triticale und einige Futtergräser. R. secalis verursacht Flecken an Blättern und Blattscheiden, wobei die Blattachseln oft am stärksten befallen sind. Die Blattflecken sind zuerst blaugrau, später in der Mitte grau und haben einen dunklen, rotbraunen Rand. Durch die Wahl resistenter Sorten, geeigneter Kulturmassnahmen oder Fungizide kann die Rhynchosporium-Blattfleckenkrankheit gut kontrolliert werden. Allerdings können sich die R. secalis Populationen sehr schnell ändern, so dass Resistenzgene oder Fungizide nicht mehr wirken.

Rhynchosporium Blattflecken (Rhynchosporium secalis) an Gerste
Rhynchosporium Blattflecken (Rhynchosporium secalis) an GersteAbb. 1. Rhynchosporium-Blattfleckenkrankheit (Rhynchosporium secalis) an Gerste

Abb. 2. Rhynchosporium-Blattflecken (R. secalis) an Gerste

Schadbild

R. secalis verursacht im Frühjahr Flecken auf den Blättern und Blattscheiden. Am stärksten betroffen sind häufig die Blattachseln, da Wassertropfen, die für die Keimung der Sporen wichtig sind, hier lange liegen bleiben. Zuerst sind die unteren Blätter betroffen. Bei günstigen Verhältnissen breitet sich der Pilz auf die oberen Blattetagen, das Fahnenblatt und die Ähren aus.
Die Flecken sind anfangs blaugrau. Später vertrocknen sie von der Mitte her und sind dann grau. Bei Gerste sind sie von einem dunklen, rotbraunen Rand umgeben (Abb. 1 und 2), der sie scharf vom gesunden Blattgewebe abgrenzt. Bei Roggen und Triticale fehlt dieser Rand (Häni et al. 2008). Oft kann auch ein gelber Hof um die Flecken beobachtet werden.
Die Flecken sind oval oder unregelmässig geformt und können miteinander verschmelzen. Das gesamte Blatt kann befallen sein und absterben. Ein Befall der Blattachseln kann dazu führen, dass noch weitgehend grüne Blätter abknicken oder der Nährstoffzufluss zum Blatt unterbrochen wird, so dass dieses abstirbt.
Eine erste Erkrankung findet bei früh gesäter Wintergerste bereits im Herbst statt. An den Spitzen der jungen Blätter sind dann wässrige Flecken erkennbar. Bei starkem Befall welken die jungen Blätter und sterben ab.
Die englische Bezeichnung der Krankheit „Scald", deutet darauf hin, dass die Flecken so aussehen, als wären die Blätter mit heissem Wasser verbrüht worden.
Nach Shipton et al. (1974) kann R. secalis zu Ertragsverlusten von bis zu 40 % führen und die Qualität von Braugerste mindern.

Beschreibung des Krankheitserregers

Rhynchosporium secalis bildet unter der Kutikula der Blattspreite und der Blattscheide eine kompakte Myzelstruktur, ein sogenanntes Stroma. Auf diesem bilden sich hyaline, zweizellige Konidien (Abb. 3). Konidien messen 16-20 x 3-5 µm und haben am Ende einen charakteristischen Schnabel. 
Eine Hauptfruchtform (geschlechtliche Form oder Teleomorphe) der R. secalis wurde bisher nicht gefunden, obwohl davon ausgegangen wird, dass es eine solche gibt.

Rhynchosporium secalis (Konidien)Abb. 3. Zweizellige Konidien der Rhynchosporium secalis mit charakteristischen Schnäbeln

Lebenszyklus

Rhynchosporium secalis überlebt den Winter als Myzel an Ernterückständen (Stoppeln, Stroh) oder an befallenen, lebenden Pflanzen, einschliesslich Saatgut. Die Konidienproduktion beginnt im Frühjahr bei einer Temperatur von mindestens 4 °C (Obst und Paul 1993). Die Sporen werden durch Regenspritzer verbreitet. Die Rhynchosporium-Blattfleckenkrankheit ist relativ standortgebunden, und der Anfangsbefall tritt vorwiegend nesterweise auf.
Die Infektion erfolgt je nach Temperatur bei einer Blattfeuchte während mindestens 7 - 15 Stunden. Die Konidien keimen und bilden ein Appressorium. Von hier dringt das Pathogen mit einer Penetrationshyphe durch die Kutikula (Zhan et al. 2008). Die subkutikulären Hyphen breiten sich auf den Epidermiszellen aus und verdichten sich zu einem Stroma. Bereits vor dem Erscheinen der ersten Symptome bildet der Pilz auf dem Stroma massenhaft Konidien auf kurzen Konidienträgern, welche durch die Kutikula brechen. Später kollabieren die Mesophyll- und Epidermiszellen, wodurch die ersten Symptome entstehen. Dies geschieht je nach Witterungsverhältnissen eine Woche nach der Infektion oder später. Die Konidien werden wiederum durch Regenspritzer verbreitet.
R. secalis ist ein nekrotropher Pilz. Er scheidet Toxine aus, welche die Pflanzenzellen abtöten, um Nährstoffe freizusetzen.

Epidemiologie

Erstinfektionen gehen von befallenen Pflanzenrückständen oder auch von Saatgut aus. Fountain et al. (2010) zeigten, dass R. secalis vom Samen aus in die Wurzeln, Triebe und Blätter wächst ohne zunächst sichtbare Symptome zu verursachen. Erst nach ungefähr vier Monaten konnten an infizierten Pflanzen erste Anzeichen der Krankheit beobachtet werden. Die Übertragung der Krankheit über das Saatgut ist vor allem für die Verschleppung des Pathogens in bisher nicht befallene Felder von Bedeutung.
Der weitere Verlauf der Krankheit wird durch kühle Witterungsperioden (15-20 °C) mit hoher Luftfeuchtigkeit und langer Blattfeuchtedauer begünstigt (Obst und Paul 1993). Durch die Anpassung an niedrige Temperaturen ist der Pilz in der Lage, bereits im Frühjahr und während eines feuchtkühlen Sommers Epidemien auszulösen.
Ob sich die Rhynchosporium-Blattfleckenkrankheit ausbreiten kann, wird nicht nur durch die Witterungsverhältnisse, sondern auch durch die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen beeinflusst. Gerstensorten können mehrere Resistenzgene enthalten, die sie vor einem Befall schützen. Auch die Wuchsform kann der Pflanze Schutz bieten: Hoch wachsende Pflanzen werden weniger stark befallen als niedrig wachsende, da die Blätter weniger lange feucht bleiben.
Obwohl die Hauptfruchtform von R. secalis bisher noch nie gefunden wurde, nimmt man allgemein an, dass es eine solche gibt (Fountain et al. 2010, Salamati et al. 2000, Zhan et al. 2008). Diese Vermutung wird durch die Tatsache unterstützt, dass die beiden Kreuzungstypen weltweit in den meisten R. secalis Populationen gleichmässig im Verhältnis 1:1 verteilt sind (Zaffarano et al. 2006).
Die Isolate einer Population unterscheiden sich in ihrer Pathogenität, ihrer Sporulationsrate, ihrer Konidiengrösse, iher Anfälligkeit für Fungizide und ihren molekularen Markern (Zhan et al. 2008). Diese äusserst diversen Populationen können sich sehr schnell an veränderte Bedingungen anpassen, beispielsweise an den Anbau neuer resistenter Gerstensorten oder den Einsatz neuer Fungizide.

Wirtsspektrum

Die Rhynchosporium-Blattfleckenkrankheit kommt bei Gerste, Roggen, Triticale und verschiedenen anderen Gräsern, darunter auch Raigräser, vor. Die Pilzsporen von Gerste, Roggen bzw. einzelnen Gräsern sind nicht auf die Wirtspflanzenart spezialisiert, von der sie isoliert wurden: So können Herkünfte von Gerste den Roggen infizieren und umgekehrt. Andererseits konnten mehrere physiologische Rassen nachgewiesen werden, die jeweils nur bestimmte Sorten befallen können. Da einzelne Sorten unterschiedlich auf einen Befall reagieren, ist eine sichere Diagnose erschwert und es kann zu Verwechslungen kommen.

Vorbeugende Massnahmen und Bekämpfung

Ein Befall der Gerste mit der Rhynchosporium-Blattfleckenkrankheit kann durch vorbeugende Kulturmassnahmen und eine direkte Bekämpfung verringert werden. Das Ziel aller Massnahmen ist es, die Anzahl der Pilzsporen im Feld zu reduzieren.

  • Zum Beispiel mit einer Fruchtfolge mit wenig Gerste und möglichst keinem Anbau von Gerste nach Roggen (oder umgekehrt).
  • Ausserdem sollten nur resistente oder wenig anfällige Sorten angebaut werden. Die Anfälligkeit der Gerstensorten für Rhynchosporium-Blattflecken ist für die Schweiz in der Liste der empfohlenen Getreidesorten, für Deutschland in der Sortenliste des Bundessortenamtes und für Österreich in der Österreichischen beschreibenden Sortenliste angegeben.
  • Die Saat der Sommergerste sollte nicht zu früh erfolgen, um durch eine rasche Keimung bei höheren Temperaturen einer samenbürtigen Infektion vorzubeugen. Alternativ kann auch ein garantiert nicht infiziertes Saatgut verwendet werden.
  • Ein sorgfältiges Unterpflügen der Getreidestoppeln sowie die Vernichtung von Ausfallgetreide und Wildgräsern verringern den Infektionsdruck im Feld.
  • Dichte Bestände und eine übermässige Stickstoffdüngung fördern einen Befall durch R. secalis. Hier sind die Blätter länger nass, was eine wichtige Voraussetzung für einen erfolgreichen Infektionsverlauf ist.
  • Der Einsatz von Fungiziden lohnt sich erst, wenn die Bekämpfungsschwelle erreicht ist. Diese ist für Rhynchosporium-Blattflecken in der Schweiz wie folgt festgesetzt (Agridea, Datenblätter Ackerbau): Während der Entwicklungsstadien 30 (Beginn Schossen) bis 51 (Beginn Ährenschieben) werden 40 Halme über die Felddiagonale eingesammelt und die drei obersten, vollentwickelten Blätter pro Halm auf Befall mit Blattflecken kontrolliert (Rhynchosporium-Blattflecken und NetzfleckenDrechslera teres, werden zusammen gezählt). Die Anzahl der befallenen Blätter (von total 120) wird gezählt. Die Bekämpfungsschwelle ist erreicht, wenn 20-30 Blätter (= 15-25 %) befallen sind.
  • Empfohlene und zugelassene Pflanzenschutzmittel zum Schutz gegen die Rhynchosporium-Blattfleckenkrankheit finden Sie für die Schweiz im Pflanzenschutzmittelverzeichnis des BLW (Bundesamt für Landwirtschaft); für Deutschland in der online Datenbank des BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) und für Österreich im Pflanzenschutzmittelregister des BAES (Bundesamt für Ernährungssicherheit).

Literatur

Agridea, 2021. Datenblätter Ackerbau. AGRIDEA, CH-8315 Lindau (Bekämpfungsschwellen)

Fountain JM, Shaw MW, Ward E, Fraaije BA, 2010. The role of seeds and airborne inoculum in the initiation of leaf blotch (Rhynchosporium secalis) epidemics in winter barley. Plant Pathology 59: 330-337.

Häni FJ, Popow G, Reinhard H, Schwarz A, Voegeli U, 2008. Pflanzenschutz im nachhaltigen Ackerbau. Edition LMZ, 7. Auflage. 466 S.

Obst A, Paul VH, 1993. Krankheiten und Schädlinge des Getreides. Verlag Th. Mann, Gelsenkirchen.

Salamati S, Zhan J, Burdon JJ, McDonald BA, 2000. The genetic structure of field populations of Rhynchosporium secalis from three continents suggests moderate gene flow and regular recombination. Phytopathology 90: 901-908.

Shipton WA, Boyd WJR, Ali SM, 1974. Scald of barley. Review of Plant Pathology 53, 839-61.

Zaffarano PL, McDonald BA, Zala M, Linde CC, 2006. Global hierarchical gene diversity analysis suggests the fertile crescent is not the center of origin of the barley scald pathogen Rhynchosporium secalis. Phytopathology 96: 941-50.

Zhan J, Fitt BDL, Pinnenschmidt HO, Oxley SJP, Newton AC, 2008. Resistance, epidemiology and sustainable management of Rhynchosporium secalis populations on barley. Plant Pathology 57, 1-14.