Sonnenblumenkrebs oder Weiss-Stängeligkeit
Sclérotiniose; le sclérotinia du tournesol (franz.); white mold; stalk and head rot (engl.)
wissenschaftlicher Name: Sclerotinia sclerotiorum (Lib.) de Bary
Taxonomie: Fungi, Ascomycota, Leotiomycetes, Leotiomycetidae, Helotiales, Sclerotiniaceae
Der Pilz Sclerotinia sclerotiorum befällt neben Sonnenblumen auch Raps, Ackerbohnen und verschiedene Gemüsearten. Ein früher Befall der Sonnenblume führt zu einer Wurzelhalsfäule mit anschliessender Welke der Pflanze. Während der Blüte dringen die Ascosporen vor allem über die Röhrenblüten in den Blütenkorb ein. Im Inneren der befallenen Pflanzenteile wächst ein weisses, watteartiges Myzel. Dieses verklumpt später zu schwarzen Sklerotien, die lange im Boden überdauern können. Durch eine weite Fruchtfolge und den Anbau wenig anfälliger Sorten kann die Ausbreitung der Krankheit weitgehend verhindern werden.
Abb. 1. Durch Sclerotinia sclerotiorum hervorgerufene Fäulnis auf der Rückseite der Blütenkörbe. Im befallenen Pflanzengewebe wachsen schwarze Sklerotien. Das befallene Gewebe zerfasert und an der Fäulnisstelle ist oft ein weisses, watteartiges Myzel sichtbar.
Schadbild
Sclerotinia sclerotiorum befällt das Stängelgewebe, die Blätter und die Blütenkörbe von Sonnenblumen. Erste Anzeichen eines Befalls sind hellbraune bis weissliche Flecken am Wurzelhals. Im weiteren Verlauf verfärbt sich der Stängel braun bis schwarz, die Blätter welken und vertrocknen. Häufig wird auch die Endknospe zerstört. Die Stängel werden faserig und brüchig. Im Inneren der hell verfärbten Stängel befinden sich ein weisses, watteartiges Myzel und anfangs graue, später schwarze Sklerotien. Myzel und Sklerotien sind oft auch auf der Aussenseite der Stängel zu finden.
Ein später Befall führt zu einer hellbraunen, feuchten Fäulnis zwischen den Blüten (bzw. Körnern) und auf der Rückseite der Blütenkörbe (Abb. 1 und 2). In den Blütenkörben und zwischen den Körnern wachsen schwarze Sklerotien (Abb. 3). Die Sklerotien, die zwischen den Körnern wachsen, ähneln einem Gitter (Abb. 4). Das befallene Gewebe zerfasert und die Körner fallen vorzeitig ab.
Abb. 3. Sklerotien der Sclerotinia sclerotiorum
Abb. 4. Zwischen Sonnenblumenkernen gewachsenes, gitterartiges Sklerotium
Krankheitserreger
Die Sklerotien von S. sclerotiorum sind anfangs hellbraun, später werden sie aussen schwarz (Abb. 2). Reife Sklerotien sind hart und haben einen Durchmesser von 5 bis 15 mm oder mehr. Die Form der Sklerotien ist unregelmässig: rundlich bis länglich, zwischen den Körnern wachsen sie als gitterartige Gebilde (Abb. 3 und 4).
Die Sklerotien können mit Myzel wachsen oder mit gestielten, becher- oder trichterförmigen Apothecien keimen (geschlechtliche Fortpflanzung) (Abb. 5). Apothecien sind hellbraun und messen 2 bis 8 mm im Durchmesser (Harveson et al. 2016). Auf den Apothecien befinden sich zahlreiche senkrecht stehende, keulenförmige Asci (90-120 x 6.2-10 μm) mit jeweils 8 einzelligen Ascosporen (10-11.2 x 5-6 µm) (Abb. 6). Im Gegensatz zu S. trifoliorum sind die 8 Ascosporen eines Ascus ungefähr gleich gross.
Lebenszyklus
Die Sklerotien von S. sclerotiorum bleiben je nach Bodenbeschaffenheit, Bodenfeuchtigkeit und Vergrabungstiefe mehrere Monate bis 10 Jahre im Boden lebensfähig. Ihre Ruhephase endet im Frühjahr ab Ende April. Sie keimen entweder direkt mit Myzel, das über die Wurzeln oder den Wurzelhals in die Pflanze eindringen kann. Oder aus den Sklerotien entwickeln sich ein oder mehrere Apothecien. Hier entstehen durch geschlechtliche Fortpflanzung in den Asci jeweils 8 Ascosporen. Diese werden bei günstigen Umweltbedingungen ausgeschleudert und mit dem Wind zu den Sonnenblumen getragen. Bei hoher Luftfeuchtigkeit können die Ascosporen die Pflanzen infizieren.
Ascosporen sind nur wenige Tage keimfähig und haben nicht genügend Energie, um gesundes Pflanzengewebe direkt zu infizieren. Für eine erfolgreiche Infektion benötigen die Ascosporen daher eine leicht zugängliche Nahrungsquelle, die sie z. B. in Form von Pollen oder in Form von Zucker, der von Pflanzendrüsen an der Blüte ausgeschieden wird. Dies ist auch der Grund, warum die Infektionen oft mit der Blüte der Sonnenblume und der Zeit danach zusammenfallen.
In den Pflanzen bildet das Myzel pektolytische und zellulolytische Enzyme, welche das Pflanzengewebe rasch zersetzen. Die abgestorbenen Zellen werden vom Myzel besiedelt (nekrotrophe Lebensweise). Später werden Sklerotien gebildet, die zu Boden fallen und mehrere Jahre überleben können.
Epidemiologie
Sonnenblumenkrebs wird durch kühle und feuchte Witterung begünstigt.
Die Sklerotien sind Überdauerungsformen, die im trockenen Boden bis zu 10 Jahre lebensfähig bleiben. Die Keimung der Sklerotien erolgt in der oberen Bodenschicht von Ende April bis Juni. Optimal für die Bildung der Apothecien sind Bodentemperaturen zwischen 8 und 14 °C (Hoffmann und Schmutterer 1999), eine Beschattung der Sklerotien und ein feuchter Boden.
Die Ascosporen benötigen für die Keimung und das Eindringen in das Pflanzengewebe eine hohe Luftfeuchtigkeit während mindestens 2 Tagen.
Die Entwicklung des Pilzmyzels ist bei 20 °C optimal, das Myzel wächst jedoch bereits bei 0 °C.
Die Krankheit kann durch Saatgut übertragen werden, entweder durch mit Myzel infiziertes oder durch mit Sklerotien verunreinigtes Saatgut. Anfällige Unkräuter können ebenfalls zur Verseuchung eines Feldes mit Sklerotien beitragen.
Wirtsspektrum
Sclerotinia sclerotiorum kommt in sehr vielen landwirtschaftlichen Kulturen in den gemässigten Klimazonen vor. Neben Sonnenblumen befällt der Erreger vor allem Raps, Ackerbohnen, Sojabohnen, Erbsen, Luzerne und verschiedene Gemüsekulturen. Auch verschiedene Unkräuter werden befallen (Ackerkratzdistel, schwarzer Nachtschatten, weisser Gänsefuss, Amaranth, Ambrosia, Hirtentäschelkraut, Gänsedistel, Samtpappel, Wicke usw.).
Bekämpfung
- Weite Fruchtfolgen mit mindestens dreijähriger Anbaupausen zwischen den Wirtspflanzen einhalten (Häni et al. 2008).
- Anfällige Unkräuter bekämpfen und nach der Ernte die Pflanzenrückstände mindestens 10 cm tief unterpflügen.
- Resistente oder tolerante Sorten wählen (Sortenliste für die Schweiz). Sonnenblumensorten sind unterschiedlich resistent gegen frühen oder späten Befall. Eine Sorte kann anfällig für den Befall des Wurzelhalses aber resistent gegen eine Infektion der Blüten sein.
- Gesundes Saatgut verwenden.
- Eine zurückhaltende Stickstoffdüngung und eine weniger dichte Saat reduzieren die Luftfeuchtigkeit im Bestand. Dadurch wird das Mikroklima für den Sonnenblumenkrebs ungünstiger.
- Eine biologische Kontrolle von S. sclerotiorum ist mit Contans ® WG möglich. Contans enthält getrockneten Sporen des Bodenpilzes Coniothyrium minitans. Der Bodenpilz parasitiert die Sklerotien im Boden und tötet sie ab. Contans ® kann zum Beispiel bei Biocontrol Andermatt bestellt werden.
- Zugelassene Pflanzenschutzmittel zum Schutz gegen Sonnenblumenkrebs / Weiss-Stängeligkeit (Sclerotinia sclerotiorum) finden sie für die Schweiz im Pflanzenschutzmittelverzeichnis des BLW; für Deutschland in der Online Datenbank des BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) und für Österreich im Verzeichnis der zugelassenen Pflanzenschutzmittel.
Literatur
Häni FJ, Popow G, Reinhard H, Schwarz A und Voegeli U, 2008. Pflanzenschutz im nachhaltigen Ackerbau. Edition LMZ, 7. Auflage. 466 S.
Harveson RM, Markell SG, Block CC, Gulya TJ, 2016. Compendium of Sunflower diseases and Pests. APS Press St. Paul Minnesota USA: 140 S.
Hoffmann GM, Schmutterer H, 1999. Parasitäre Krankheiten und Schädlinge an landwirtschaftlichen Kulturpflanzen. Verlag Eugen Ulmer Stuttgart: 675 S.