Getreidehähnchen
Rothalsiges Getreidehähnchen (Oulema melanopus L.) und Blaues Getreidehähnchen (Oulema lichenis Voet.)
criocères des cereals (franz.); cereal leaf beetles oder oat slugworms (engl.)
Taxonomie: Metazoa, Arthropoda, Insecta, Coleoptera, Chrysomelidae
Getreidehähnchen (Oulema melanopus und O. lichenis) sind in Europa weit verbreitet. Man findet sie auch in Nordasien und Nordafrika. In Nordamerika wurden sie eingeschleppt. Das Getreidehähnchen überwintert als Käfer im Boden von Wiesen, Waldrändern oder Hecken. Im Frühling verlassen die Käfer ihr Winterquartier, machen einen Reifungsfrass an Wildgräsern und legen ihre Eier bevorzugt an Weizen, Gerste oder Hafer ab. Kurz darauf schlüpfen die Larven, die durch ihren Frass an den Blättern den Hauptschaden verursachen. Nach zwei bis drei Wochen verpuppen sie sich im Boden oder an den Blättern. Die Jungkäfer schlüpfen ab Ende Juli und beginnen an Getreide oder Gräsern zu fressen. Im Herbst ziehen sie sich in ihre Winterquartiere zurück.
Abb. 1. Schadbild der Larven des Getreidehähnchens (Oulema melanopus) (oben), Larve (Mitte) und Käfer (unten)
Schadbild
Die überwinterten Käfer fressen Anfang Mai während ihres kurzen Reifungsfrasses langgestreckte Löcher zwischen den Blattrippen von Gräsern (Abb. 2). Im Sommer und Herbst verursachen die Jungkäfer die gleichen Symptome auch an Getreide. Die Schäden der Käfer sind in der Regel unbedeutend, da die Tiere mehrfach ihren Frassort wechseln.
Der Hauptschaden wird durch die Larven des Getreidehähnchens verursacht. Sie schaben das Blatt bis auf die Epidermis der Blattunterseite ab (Abb. 1 und 2). Die streifenförmigen Frassstellen zwischen den Blattadern sehen wie Fensterscheiben aus. Fahnenblätter werden von den Larven bevorzugt gefressen.
In Gebieten mit intensivem Getreideanbau verursachen die Getreidehähnchen oft erhebliche Ertragsverluste vor allem bei Weizen, Gerste und Hafer.
Das „Rothalsige“ und das „Blaue Getreidehähnchen“ können das Cocksfoot mottle Virus übertragen (Obst und Paul 1993). Beide Arten übertragen das Virus sowohl im Larven- als auch im adulten Stadium auf das Knaulgras (Dactylis glomerata). Einmal infiziert, bleibt das Getreidehähnchen zwei Wochen lang infektiös.
Beschreibung des Schädlings
Die Käfer des Rothalsigen Getreidehähnchens (Abb. 1 und 3) besitzen einen roten Halsschild. Ihre Flügeldecken sind metallblau, blaugrün bis schwarz (Zahradnik et al. 1985). Die Beine sind gelborange. Der Käfer wird 5 bis 6 mm gross (Obst und Paul 1993).
Die frisch gelegten Eier sind gelb, zylindrisch und etwa 1 mm lang (Bockhus et al. 2010).
Die stark gewölbten Larven sind etwa 5 mm lang, gelblich gefärbt und besitzen eine braune Kopfkapsel sowie sechs kurze Beine (Abb. 3). Meistens sind sie von einem schwarz-braunem Schleim überzogen (Kot) und ähneln Nacktschnecken.
Das Blaue Getreidehähnchen (Käfer) ist dagegen einheitlich metallblau bis blaugrün (auch der Halsschild) und 4 bis 5 mm lang. Die Larven sind kaum von denen des "Rothalsigen Getreidehähnchens" zu unterscheiden.
Lebenszyklus
Getreidehähnchen überwintern als Käfer unter Pflanzenresten am Boden von Wiesen, Waldrändern und Hecken (Häni et al. 2008). Ende April verlassen sie ihre Winterquartiere und machen während etwa 10 Tagen einen Reifungsfrass an Gräsern. Anfangs Mai fliegen die Käfer in die Getreidefelder. Nach der Paarung legen die Weibchen einzeln oder in kurzen Reihen glänzende, gelbe Eier an die Oberseite der jeweils obersten Blätter ab (Obst und Paul 1993). Die Eiablage erstreckt sich von Mai bis Juni. Eine trockene und warme Witterung begünstigt die Eiablage (50 bis 200 Eier je Weibchen).
Die Larven schlüpfen nach 8 - 10 Tagen und beginnen sofort mit dem Fressen. Der Larvenfrass an den Getreideblättern dauert zwei bis drei Wochen. Die Verpuppung der Larven des Rothalsigen Getreidehähnchens findet nach dem 4. Larvenstadium etwa 2-5 cm tief im Boden statt. Die Blauen Getreidehähnchen verpuppen sich dagegen in weissen, harten Schaumkokons an der Wirtspflanze.
Die Jungkäfer schlüpfen ab Ende Juli und fressen an Getreide oder Gräsern. Im Herbst ziehen sie sich in ihre Winterquartiere zurück. In der Schweiz entsteht nur eine Generation pro Jahr.
Epidemiologie
Eine warme und trockene Witterung im Frühjahr und im Sommer begünstigt die Vermehrung der Getreidehähnchen. Nasskaltes Wetter im Sommer hingegen führt zu einer erhöhten Sterberate der Larven und Puppen.
Getreidehähnchen treten bei Spätsaaten gehäuft auf. Sommergetreidefelder, die an Wintergetreide grenzen, sind stärker gefährdet.
Wirtsspektrum
Getreidehähnchen können alle Getreidearten, vor allem Sommerformen, befallen. Sie bevorzugen jedoch Weizen, Gerste und Hafer. Das "Rothalsige Getreidehähnchen" trifft man gelegentlich auch auf Mais an. Futter- und Wildgräser zählen ebenfalls zu den Wirtspflanzen.
Vorbeugende Massnahmen und Bekämpfung
- Eier und Larven werden von Marienkäfern, Laufkäfern, Florfliegenlarven und Raubwanzen gerne gefressen. Auch bestimmte Schlupfwespen und ein Pilz der Gattung Entomophthora töten die Larven ab. Die Förderung dieser natürlichen Feinde kann bei der Eindämmung der Getreidehähnchen einiges bewirken.
- Eine schnelle Jugendentwicklung des Getreides fördern
- Schäden entstehen, wenn das Fahnenblatt befallen ist. Bei Weizen bewirkt eine Larve pro Fahnenblatt eine Ertragseinbusse von etwa10 Prozent.
- Eine direkte Bekämpfung mit chemischen Pflanzenschutzmitteln ist möglich. In der Schweiz sind Betriebe, die gemäss dem ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN) wirtschaften, verpflichtet, Pflanzenschutzmittel nur gemäss dem Schadschwellenprinzip anzuwenden. Schadschwellen, beziehungsweise Bekämpfungsschwellen, geben einen Anhaltspunkt, ab welcher Dichte eine Bekämpfung mit Pflanzenschutzmitteln erfolgen soll und wirtschaftlich sinnvoll ist.
Die Bekämpfungsschwelle für Getreidehähnchen ist in der Schweiz für alle Getreidearten gleich und wie folgt festgesetzt (Agridea, Datenblätter Ackerbau): Während der Entwicklungsstadien 39 "Fahnenblatt voll entwickelt" bis vor dem Stadium 51 "Beginn Ährenschieben" ist die Schadschwelle erreicht, wenn im Durchschnitt zwei Larven pro Halm vorhanden sind. Ausgezählt werden an 10 Stellen 5 aufeinander folgende Halme. Ab dem Stadium 51 "Beginn Ährenschieben" bis einschliesslich Stadium 61 "Beginn der Blüte" gilt eine Bekämpfungsschwelle von zwei Larven pro Fahnenblatt. Ausgezählt werden ebenfalls 10 mal 5 Halme.
Eine Behandlung ist nur mit im ÖLN frei einsetzbaren Produkten möglich, wenn die Bekämpfungsschwelle erreicht ist. Übrige Produkte dürfen nur mit Sonderbewilligung eingesetzt werden. - Empfohlene und zugelassene Pflanzenschutzmittel gegen Getreidehähnchen (Oulema sp.) finden sie für die Schweiz im BLW Pflanzenschutzmittelverzeichnis (Bundesamt für Landwirtschaft); für Deutschland in der online Datenbank des BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) und für Österreich im Pflanzenschutzmittelregister des BAES (Bundesamt für Ernährungssicherheit)
Literatur
Agridea, 2021. Datenblätter Ackerbau. AGRIDEA, CH-8315 Lindau (Bekämpfungsschwellen)
Bockus WW, Bowden RL, Hunger RM, Morrill WL, Murray TD, Smiley RW, 2010. Compendium of wheat Diseases and Pests. Third edition. The American Phytopathological Society, St. Paul Minnesota: 171 p.
Häni FJ, Popow G, Reinhard H, Schwarz A, Voegeli U, 2008. Pflanzenschutz im nachhaltigen Ackerbau. Edition LMZ, 7. Auflage. 466 S.
Obst A, Paul V, 1993. Krankheiten und Schädlinge des Getreides. Verlag Th. Mann: 184 S.
Zahradnik J, Jung I, Jung D, et al., 1985. Käfer Mittel- und Nordwesteuropas. Parey, Berlin, ISBN 3-490-27118-1.